2013-2014: Pferdebahnwagen 11

Pferdebahn Ausgangssituation   Pferdebahn Abschluss

Der Pferdebahnwagen 11 ist der älteste Straßenbahnwagen Süddeutschlands aus dem Jahr 1881. Seit 1909 ist er Museumsfahrzeug. Zusammen mit der Firma Haber & Brandner wurde der Wagen aufwändig untersucht, um mehr über Geschichte und historische Substanz zu erfahren. Zwischen April 2013 und Februar 2014 wurde der Wagen durch die Firma Haber & Brandner GmbH in Regensburg restauriert und konserviert. Die Arbeiten wurden durch unseren Verein finanziert.

Technisches Kulturgut erhalten

Das Historische Straßenbahndepot St. Peter hat viele interessante Exponate zu bieten. Der Weitsicht der Unternehmensleitung der Nürnberg-Fürther Straßenbahn zu Beginn des 20. Jahrhunderts ist es zu verdanken, dass die ältesten Exponate und Fahrzeuge der Nachwelt erhalten werden konnten. Denn bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts pflegte die Nürnberger Straßenbahn ein eigenes, nichtöffentliches Museum. Seit 1985 ist die Sammlung im Historischen Straßenbahndepot St. Peter der Öffentlichkeit zugänglich.

Der Pferdebahnwagen 11, erster Straßenbahnwagen Nürnbergs und erster aus dem Werk der späteren Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg (MAN), hat darin einen besonderen Stellenwert. Da der Wagen seit dem Jahr 1909 als Museumswagen vorgehalten wurde, befindet er sich weitestgehend in vollständigem und originalem Zustand, wenngleich verschiedene Restaurierungen der 1930er- und der 1970er-Jahre das Aussehen immer weiter vom Original entfremdet haben. So zeigte sich der Wagen Ende 2013 im Inneren weitgehend authentisch und in originalem Zustand, die Außenfassung ist jedoch geprägt von Kunststoff-Klebefolien in Holzoptik und maserierter Lackierung der letzten Restaurierung im Jahr 1971.

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  Detailaufnahme der im Jahr 1971 aufgebrachten Klebefolien und der Schäden an der äußeren Fassung des Wagens (Aufnahme: Haber & Brandner)  

Dem Pferdebahnwagen 11 im Rahmen einer fachgerechten Restaurierung und Konservierung seine Ausdruckskraft und Authentizität zurückzugeben und gleichzeitig die Spuren in die Vergangenheit zu konservieren und dokumentieren war Ziel des Vereinsprojektes. Erstmals wurde dabei mit Fachfirmen auf dem Gebiet der Restaurierung zusammengearbeitet.

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  Aufnahme der ersten Pferdebahnwagen im Werk der Maschinenbau-Aktiengesellschaft (später MAN) in Wöhrd (Aufnahme: VAG-Archiv)  

Vorbereitende Untersuchung am Pferdebahnwagen 11

Im Herbst 2012 wurde die Firma Haber & Brander GmbH, renommierte Fachfirma auf dem Gebiet der Restaurierung technischen Kulturguts mit Sitz in Regensburg, damit beauftragt, die Substanz des Pferdebahnwagens 11 zu bewerten, anhand von Farbuntersuchungen und Auswertung von Lieferaufnahmen Rückschlüsse auf das ursprüngliche Erscheinungsbild im Jahr 1881 zu ziehen und Möglichkeiten einer Konservierung und Restaurierung aufzuzeigen. Der Pferdebahnwagen befand sich dabei in guter Gesellschaft: Kettensteg, Tugendbrunnen, Bavaria und die Quadriga auf dem Brandenburger Tor sind einige wenige Beispiele, was im Hause Haber & Brandner schon alles auf der Werkbank lag. Die Untersuchung selbst wurde von der Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern finanziell und fachlich unterstützt.

  20130329 Lackschichten Blendleiste   20130329 Stratigrafie Querleiste unter Fenster  
  Freigelegte Lackschichten im Bereich einer Blendleiste am Pferdebahnwagen 11 ermöglichen einen Blick in die Vergangenheit:
Die heute braune Leiste war ursprünglich schwarz mit beigen Absetzstreifen lackiert. (Aufnahme: Haber & Brandner)
  Stratigrafie der Lackschichten einer Leiste unterhalb der Fenster. Gut zu erkennen ist, dass der Wagen mehrfach gelb lackiert war. Diese Farbgebung war zwischen 1885 und 1899 zu Ehren des Direktors Rooth der Straßenbahn, einem Schweden, in dessen Nationalfarben eingeführt worden. (Aufnahme: Haber & Brandner)  

Das Ergebnis der Untersuchungen ist eindrucksvoll: An zahlreichen Stellen des Wagens konnten noch Reste der originalen Lackierung aus dem Jahr 1881 dokumentiert werden. Die Ergebnisse decken sich dabei auch mit den Aufnahmen der Lieferung im Jahr 1881. Die Befundung macht aber deutlich, wie sehr das heutige Erscheinungsbild des Wagens durch die zahlreichen Restaurierungen verändert wurden: Die Farbe von Zierlinien wurde immer weiter abgeändert und Linien stark vereinfacht. Auch ganze Bereiche des Wagens wurden zu einem späteren Zeitpunkt in anderen Farbtönen überlackiert.

Die Geschichte des Pferdebahnwagens 11

1881
Der Wagen 11 wird von der Maschinenbau-Aktiengesellschaft Nürnberg (MAN) im Werk in Wöhrd gebaut und an die Nürnberg-Fürther Straßenbahn geliefert. Als Vorlage für den ersten Straßenbahnwagen der MAN dient ein Musterwagen der Firma Brill in Philadelphia USA, der weitgehend kopiert wird.

1885
Die Lackierung des Wagens wird von dunkelgrün/braun auf gelb-blau geändert. Grund sind personelle Änderungen im Direktorium der Straßenbahn: Direktor Gustaf Rooth kam ursprünglich aus Schweden, sodass die schwedischen Landesfarben die Nürnberger Straßenbahn schmückten. Der Pferdebahnwagen 11 wurde insgesamt zweimal in dieser Farbvariante neu lackiert.

1896
Mit Einführung des elektrischen Betriebs wird der Pferdebahnwagen als Beiwagen verwendet. Der Pferdebahnwagen 11 erhält eine Trompetenkupplung und erstmals wird ein Kohleofen im Winter zur Beheizung des Wagens verwendet.

1898
Die Pferdebahnwagen erhalten als Beiwagen eine elektrische Innenbeleuchtung. Noch heute ist deren Position im Pferdebahnwagen 11 erkennbar.

1899
Der Anstrich des Wagens wird erneut geändert: Olivgrün und Elfenbein sind die neuen Farben der Nürnberger Straßenbahn.

1909
Der Pferdebahnwagen 11 wird Museumswagen. Der Wagen wird weitestgehend in den Lieferzustand zurückgebaut und umlackiert, wobei die Kupplung und die elektrische Ausrüstung ausgebaut werden.

1935
Vermutlich anlässlich des 100jährigen Jubiläums der deutschen Eisenbahn wird der Pferdebahnwagen 11 erneut restauriert.

1950
Der Pferdebahnwagen 11 hat den 2. Weltkrieg weitestgehend unbeschadet überstanden. Lediglich die Fensterscheiben sind gebrochen. Anlässlich des 900-jährigen Jubiläums der Stadt Nürnberg wird er bei einem Korso der Öffentlichkeit gezeigt.

1971
Bedingt durch die Abstellung des Wagens ohne seitlichen Witterungsschutz unter einem Vordach ist der Pferdebahnwagen 11 in sehr schlechtem Zustand. Zur Eröffnung der U-Bahn erhält er eine grundlegende Überholung und sein heutiges Aussehen.

1985
Im Historischen Straßenbahndepot St. Peter wird der Wagen erstmals der Öffentlichkeit dauerhaft zugänglich gemacht.

2009
Durch Zufall wird eine Wagenglocke der Pferdebahn von einem Privatmann wiedergefunden und dem Museum gestiftet. Der Pferdebahnwagen ist wieder fast „komplett“.

2012
Die Firma Haber & Brandner führt Untersuchungen am Pferdebahnwagen 11 durch.

Gegenstand der Restaurierung und Konservierung

Die Restaurierung des Pferdebahnwagens 11 hat zum Ziel, die bestehende, weitgehend originale Substanz des ältesten Straßenbahnwagens in Süddeutschland zu sichern und das Erscheinungsbild des Wagens hinsichtlich der durch die Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse zu rekonstruieren. Insbesondere folgende Maßnahmen sind Gegenstand des Projektes:

  1. Sicherungsmaßnahmen an der originalen Inneneinrichtung, Festigung und Anlegen gelöster Furniere.
  2. Reversible Überarbeitung der Außenfassung anhand der Untersuchungsergebnisse (alte Lackschichten werden nicht zerstört, sondern bleiben unter der Neufassung für die Nachwelt erhalten).
  3. Konservierung und vollständige Dokumentation der teilweise originalen Lackschichten von 1881.

Mit der Ausführung der Arbeiten wurde die Firma Haber & Brandner in Regensburg beauftragt, die bereits die Untersuchungen am Wagen durchgeführt hatte. Hierzu wurde der Wagen in die Werkstätten von Haber & Brandner nach Regensburg gebracht. Dort werden nun schrittweise die Klebefolien entfernt, die bei der Restaurierung im Jahr 1971 aufgebracht wurden. Alte, sich lösende Lackschichten werden so gefestigt, dass anschließend auf diesen die neue Fassung aufgebaut werden kann. Begleitend werden an zahllosen Stellen des Wagens weitere Farbuntersuchungen und Bindemittelanalysen durchgeführt, um weitere Informationen über das ursprüngliche Erscheinungsbild zu erhalten.

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  Eine Auswertung historischer Fotografien und zeitgenössicher Darstellungen ermöglicht die Rekonstruktion des gesamten äußeren Erscheinungsbilds des Wagens. Aufschluss über die farbliche Gestaltung lieferten die zahlreichen Freilegungen und Fundstellen am Wagen selbst. (Grafik: Tobias Schneider)
 

Finanzierung

Die restauratorischen und konservatorischen Maßnahmen am Pferdebahnwagen 11 durch Fachfirmen kosteten insgesamt rund 55.000 Euro. Die Finanzierung des Projekts erfolgte durch die Freunde der Nürnberg-Fürther Straßenbahn e.V.
Die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen in Bayern unterstützte das Projekt mit einer Zuwendung in Höhe von etwa 10.000 Euro, die für die erkenntnisstiftenden Maßnahmen und Analysen verwendet werden konnten.

MAN SE

Hübner GmbH&Co. KG

Sparkasse Fürth

Siemens AG

Wir danken den genannten Firmen und den über 100 privaten Spendern für die großzügige Unterstützung. Ein herzlicher Dank gilt außerdem den engagierten Mitarbeitern der Firma Haber & Brandner und der Firma Puppich für die sehr angenehme und stringente Zusammenarbeit!

Bautagebuch

17. Februar 2014: Bei der offiziellen Vorstellung des restaurierten Wagens freuen wir uns über 110 geladene Gäste, darunter Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly sowie dem Vorstand Markt der VAG, Herrn Dahlmann-Resing. Beide würdigten das Engagement des Vereins und seiner Mitglieder um den Erhalt historischer Straßenbahnwagen.

Pferdebahn Abschluss

12. Februar 2014: Gut verpackt erreicht der Pferdebahnwagen 11 nach einjähriger Abwesenheit wieder das historische Straßenbahndepot St. Peter. Sehr gefreut haben wir uns über die schöne Verpackung mit Schleife! (Aufnahme: Kurt Gottschalk)

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16. Januar 2014: Zeit für den letzten Schliff - Die Zierlinien des Pferdebahnwagens sind weitestgehend wiederhergestellt. Schon Ende Februar soll der Pferdebahnwagen von 1881 wieder in das Historische Straßenbahndepot St. Peter zurückkehren. (Aufnahme: Haber & Brandner)

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18. November 2013: Die zurückhaltende Maserierung - wie wir sie unter den späteren Lackschichten gefunden haben - ist rekonstruiert. Was jetzt noch orange schimmert, ist die Grundierung der Zierlinien. Diese werden jetzt in schwarz-beige aufgebracht.
Um die Maserierung und den Zierrat besser abstimmen zu können, helfen Musterschablonen. (Aufnahme: Susanne Dassler)

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29. Oktober 2013: An zahlreichen Stellen konnten Schäden an der Lackierung nun retuschiert werden: Die Original-Linienverlaufstafel am Wagendach wurde ebenso behutsam retuschiert wie die grüne Fassung des Wagenunterteils.
Die Spuren der Vergangenheit bleiben dabei erhalten, das Gesamterscheinungsbild gewinnt aber deutlich.
(Aufnahmen: Haber & Brandner)

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22. Oktober 2013: Die Seitenflächen sind ausgespant, alle Risse gekittet. Die Grundierung auf Ölbasis ist bereits auf die Schellack-Zwischenschicht aufgebracht. In Kürze wird die Maserierung rekonstruiert. (Aufnahme: Haber & Brandner)

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30. September 2013: Die erste Musterfläche ist angelegt. Der Bereich unter und über den Fenstern war ursprünglich dezent maseriert. Dies wird nun nach altem Vorbild rekonstruiert. (Aufnahme: Haber & Brandner)

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04. September 2013: Anti-Falten-Kur für einen über 130-jährigen Straßenbahnwagen - Das Äußere des Pferdebahnwagens wird gekittet und gespachtelt. Dadurch sind die Spuren der Zeit und der teilweise schlechte Untergrundzustand nach der Neufassung nicht mehr sichtbar. (Aufnahme: Haber & Brandner)

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05. August 2013: Die Untersuchungsarbeiten am Pferdebahnwagen 11 sind abgeschlossen. Die Klebefolien und Zierleisten wurden entfernt und der Lack vorsichtig angeschliffen. In Kürze wird eine Zwischenschicht aus Schellack aufgebracht, um die neue Lackierung später evtl. entfernen zu können. (Aufnahme: Lutz Uebel)

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17. April 2013: Der Pferdebahnwagen wird in Regensburg vom Tieflader abgeladen und in die Werkstatt der Firma Haber & Brandner gebracht. Kurz darauf beginnt die Untersuchung des Wagens. (Aufnahme: Maximilian Heimler, Haber & Brandner)

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